NSA, GCHQ und BND – Die moderne Stasi?
0Kurz vorab: Ich bin mir dessen bewusst, dass es sich bei die-Smartwatch.de um einen Smartwatch-Blog handelt, der dementsprechend auch hauptsächlich über Neuigkeiten aus diesem Bereich berichten sollte. Dennoch möchte ich mein heutiges Thema aus zweierlei Gründen nicht unerwähnt lassen; einerseits, weil es mir persönlich sehr am Herzen liegt, andererseits, weil es meiner Meinung nach in der Verantwortung eines jeden Technik-Blogs liegt, dieses Thema zu thematisieren und kritisch zu hinterfragen.
Der NSA-Skandal
Die meisten von uns dürften den Begriff „NSA-Skandal“ wohl nicht mehr hören können, ist er doch schon seit mittlerweile anderthalb Jahren omnipräsent in den Medien, anfänglich sehr stark, im Laufe der Zeit eher schwächer, durch neue Enthüllungen zwischenzeitlich wieder verstärkt. Ausgelöst durch die erschreckenden Berichte des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden hat er sich zu einem der komplexesten und undurchschaubarsten Themen unserer Zeit entwickelt.
In diesem Beitrag möchte ich meine Meinung zum Thema Datenschutz darlegen und anhand der im Titel genannten Leitfrage „NSA, GCHQ und BND – Die moderne Stasi?“ darlegen, inwiefern ich in der totalen Überwachung Risiken nicht nur für die persönlichen Freiheitsrechte eines jeden einzelnen, sondern auch für den Rechtsstaat im Allgemeinen sehe.
Überwachung per Gesetz?
Erst kürzlich flammte das Thema der totalen Überwachung eines jeden Bürgers wieder in größerem Rahmen in den Medien auf, nachdem der britische Premierminister die tödlichen Anschläge in Paris zum Anlass genommen hatte, eine klare Position zum Thema Überwachung einzunehmen, indem er betonte, dass er sich bei einer Neuwahl zum Premierminister für ein Verbot verschlüsselter Kommunikation oder eine ausschließlich für Geheimdienste geöffnete Hintertür zum Abfangen all unserer Nachrichten einsetzte:
Wenn ich Premierminister bleibe, werde ich für umfassende Rechtsvorschriften sorgen, die gewährleisten, dass wir Terroristen keinen sicheren Raum zur Kommunikation einräumen.
Terrorismus bekämpfen? – Na klar!
Als erste Reaktion auf diese Aussagen wird der Großteil der Bevölkerung Cameron sicherlich zugestimmt haben, ist es doch nicht schlecht, gegen Terrorismus vorzugehen und damit oft unschuldige Tote zu vermeiden. Liegt es etwa nicht in der Intention des Staates, seine Bürger zu schützen? Ist es dann nicht auch selbstverständlich, alle möglichen Mittel zu mobilisieren, um dem wahllosen Morden einiger Extremisten Grenzen zu setzen?
Doch, natürlich ist dies selbstverständlich! Es ist ja gerade die Aufgabe eines Staates, die eigenen Bürger vor Gefahren zu bewahren und Terrorismus abzuwehren. Doch, eines muss klar sein: Dies darf nur solange geschehen, bis die Grundrechte eines Bürgers verletzt werden. Dort ist eine Grenze zu ziehen! Der Staat darf alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um seine Bürger bestmöglich zu schützen, aber nur solange, bis er seine Kompetenzen überschreitet.
Diese Kompetenzen des Staates sind dabei eigentlich relativ klar definiert: Unser Grundgesetz ist die Grundlage unserer rechtsstaatlichen Demokratie, und hat die Aufgabe, nicht nur den einzelnen Bürger, sondern unsere gesamte Demokratie zu schützen. Besonders die im ersten Teil des Gesetzes niedergelegten Grundrechte sind die wichtigste Beurteilungshilfe bei der Frage, ab welchem Punkt der Staat seine Kompetenzen überschreitet. Als Teil eben dieser Grundrechte ist im Artikel 10, der das Post- und Fernmeldewesen-Paragraphen zum Thema hat, folgender Grundsatz festgelegt:
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
Im gleichen Artikel heißt es weiterhin:
Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
Legitimation durch Grundgesetz?
Auch wenn der zweite Absatz den ersten ergänzt, muss beim Vergleich dieser beiden ein gewisses Spannungsverhältnis auffallen: Ab wann dient eine Beschränkung des ersten Abschnittes „dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“? Wer definiert, ab wann eine solche Beschränkung zur „Sicherung des Bundes oder eines Landes“ vonnöten ist? – Das Grundgesetz gibt keine Antwort auf diese beiden Fragen. Aber gibt das der Politik die Rechtfertigung, einen Verstoß gegen den ersten Absatz mithilfe des zweiten zu legitimieren?
Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich eine kleine Zeitreise in das Jahr 1980: Wie es nach der friedlichen Auflösung der DDR bekannt wird, späht die Stasi den Großteil der Bürger ausführlich aus – unter Einsatz verschiedenster und teils aufwendiger Mittel. Interessierte Bürger können nach der Wende die über sie gesammelten Akten einsehen; oft sind sie fassungslos darüber, was für eine Menge an Daten die Stasi über sie gesammelt hat – teils sogar so privat, dass unweigerlich die Frage auftaucht, woher diese Daten denn wohl stammen.
Das Internet – modernes Ausspähungsmittel?
Auch wenn man unseren heutigen Staat grundsätzlich nicht mit der DDR vergleichen kann, ist es dennoch möglich, Parallelen zwischen der jetzigen und der damaligen Überwachungssituation zu ziehen: Während damals ganze Häuser verwanzt wurden, um an interne Informationen über den Auszuspähenden zu gelangen, ist die Methodik heute viel einfacher und unauffälliger geworden. Mit dem Internet hat man den Geheimdiensten quasi ein grenzenloses Überwachungsmittel in die Hände gelegt, das den bisherigen Rahmen der Ausspähungsmöglichkeiten bei weitem sprengt.
Während damals mit großen Aufwand und unter der Einbindung nicht nur offizieller, sondern auch inoffizieller Mitarbeiter ein Überwachungssystem installiert wurde, das die Kontrolle über das Verhalten der normalen Bevölkerung sowie bekannter Systemkritiker ermöglichte, müssen heute lediglich die vielfältigen Sicherheitslücken und Hintertüren im Internet ausgenutzt werden, um ganz einfach und vollkommen automatisiert an exorbitant große Datenmengen zu kommen: So sollen laut ungesicherten Informationen in einem einzigen Datenzentrum der NSA pro Minute bis zu 20 Terabyte an Daten geschrieben werden, was aufgrund der vielen Enthüllungen über den Umfang der NSA-Überwachung ein durchaus realistischer Wert sein könnte.
Während damals fast jeder verschickte Brief geöffnet und unter großem personellen und zeitlichen Aufwand individuell auf verdächtige Elemente hin kontrolliert wurde, wird unser Datenverkehr über das Internet heutzutage vollkommen automatisiert überprüft, analysiert und gespeichert. Sobald dabei ein nur ansatzweise verdächtiges Wort auftaucht, kann ein Unschuldiger schnell ins Visier der Behörden und damit eventuell auch polizeilicher Ermittlungen gelangen. Die Menge an Daten, die die Geheimdienste über uns sammeln, ist, wie man es sich bei unserer alltäglichen Internetnutzung gut vorstellen kann, derart groß, dass es dem Staat bei Bedarf mühelos möglich ist, sich ein vollständiges und detailliertes Bild von unserer individuellen Persönlichkeit und und unserer Lebensweise zu machen.
Wie die Beispiele gezeigt haben, ist es also durchaus möglich, Vergleiche zu der damaligen Überwachungssituation zu ziehen. Wenn nun ein Politiker dieselbe kritisiert, was aufgrund der damaligen groben Menschenrechtsverletzungen auch durchaus angemessen ist, kann er sich nicht gleichzeitig für eine stärkere Überwachung in der Gegenwart aussprechen, indem er versucht, den Verstoß gegen den ersten Absatz des Artikels 10 mit dem zweiten zu legitimieren, ohne dabei sein Glaubwürdigkeit zu verlieren.
„Ich habe doch nichts zu verbergen“
Nach einer Konfrontation mit diesen Fakten bekommt man oft die Antwort „Ich habe doch nichts zu verbergen“ zu hören. Es ist tatsächlich richtig, dass die meisten von uns wohl tatsächlich ein reines Gewissen haben und sich somit nicht vor einer Überwachung fürchten müssten. Doch gibt es zwei triftige Gründe, die gegen diese leichtfertige und naive Einstellung sprechen: Einerseits muss man sich immer die Frage stellen, was für eine Macht mit den Mengen an Daten verbunden ist: Was passiert, wenn diese in die falschen Hände geraten? Eine Person, die alles über eine andere Person weiß, kann diese mühelos erpressen, ihre Meinung unterdrücken und mundtot machen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wenn dieser Fall tatsächlich einmal eintreten würde, befände sich unsere Demokratie in akuter Gefahr – können die gesammelten Daten doch jederzeit missbraucht werden.
Der andere Grund ist die Gefahr, jederzeit ins Visier diverser Ermittler zu gelangen, was durch die automatisierte Analyse unseres Datenverkehrs ganz schnell geschehen kann. Wer möchte schon, dass eine unbekannte Person unsere gesamten Internetaktivitäten verfolgen kann? Wer möchte gegenüber dem Staat zu einem komplett transparenten Individuum werden? Wer diese Fragen nun positiv beantwortet, hat nicht verstanden, dass unsere Internetaktivitäten uns mindestens genauso stark, wenn nicht sogar stärker charakterisieren, wie unser tägliches Leben. Die Antwort müsste also ein unmissverständliches „Niemand!“ sein, denn wer würde sich schon für sein Alltagsleben wünschen, durchgehend überwacht zu werden?
Terrorimusbekämpfung vs. Menschenrechte
Ein besonders von Politikern häufig hervorgebrachtes Argument, weshalb eine Überwachung der gesamten Bevölkerung sinnvoll sei, ist die durch die Überwachung der gesamten Bevölkerung angeblich viel größere Möglichkeit, Terrorismus aktiv vorzubeugen. Ob dieses Argument einfach nur genannt wird, um die besonders nach solch grausamen Terroranschlägen, wie denen in Paris, irrationale Halterung der Bevölkerung in moralisch verwerflicher Weise für die eigenen Zwecke zu missbrauchen, oder ob es tatsächlich Politiker gibt, die der Meinung sind, dass eine Überwachung im Internet vor Terrorismus schützen könne, sei mal dahingestellt.
Jedenfalls steht für mich fest, dass sich Terrorismus nicht durch die Ausspähung unseres gesamten Internetverkehrs vermeiden oder maßgeblich einschränken lässt, nein, im Gegenteil, die kollektive Ausspähung, die wohl spätestens seit den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden im Bewusstsein der gesamten Bevölkerung sein dürfte, könnte dafür sorgen, dass bewusst andere Kommunikationswege genutzt werden, über die der Staat letztendlich auch keine Kontrolle mehr hat. Ich bin mir dabei sehr sicher, dass dies nicht nur mir, sondern auch dem Großteil unserer politischen Vertreter bewusst ist.
Der Missbrauch eines solchen, dem naiv denkenden Menschen drohend wirkenden angeblichen Arguments zur Legitimation der eigenen, gegen das Gesetz und die Menschenrechte verstoßenden Machenschaften, ist in meinen Augen eine Dreistigkeit gegenüber den eigenen Bürgern. Das Ausnutzen des irrationalen Denkens des Großteils der Bevölkerung nach solch verheerenden Anschlägen nicht nur zur Verdeckung, sondern gar zur Legitimation der eigenen Fehler ist nicht in Ordnung, und sollte von uns schlicht und ergreifend nicht akzeptiert werden.
Wir müssen handeln – jetzt
Wenn wir uns alle im kollektiven Rahmen gegen die verheerenden Folgen der totalen Überwachung wenden, und wenn jeder einzelne Bürger der Politik zeigt, was seine ehrliche Meinung zu diesem Themenkomplex ist, dann werden die Ausspähungsprogramme der Geheimdienste nicht mehr lange haltbar sein, richtet sich der Wille der Politik doch stets auch nach dem Wille des wählenden Bürgers. Wenn wir diese groben Menschen- und Grundrechtsverletzungen jedoch weiterhin akzeptieren, indem wir uns keine Gedanken über die Folgen machen, werden diese auch kein Ende haben.
Bildquellen: www.wikipedia.de; Twitter; Pressebilder; Euroluftbild.de